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Pflichtteilsanspruch verhindert vollständige Enterbung

Die Verteilung eines Erbes kann, je nach Familienkonstellation, eine äußerst heikle Angelegenheit sein. Alte, lange schwelende Konflikte wirken nach, deren Ursprung kaum noch auszumachen sind. Enttäuschungen und Verletzungen sind keine Ausnahme, sondern gehören eher zu den allermeisten Familien. Nicht die Regel ist, dass familiäre Konflikte für die Bestimmung von Erben erhebliche Relevanz haben. Das kann allerdings passieren und in unserem Rechtssystem ist in solchen Fällen vorgesehen, dass den nächsten Angehörigen unabhängig vom Willen des Erblassers ein Pflichtteil im Erbrecht am Nachlass zusteht. Die rechtmäßigen Erben müssen den Pflichtteil zahlen, darauf hat der Pflichtteilsberechtigte einen gesetzlichen Anspruch.

Die Idee dahinter ist, dass die Familienmitglieder in direkter Linie, also Ehepartner und Kinder, wenn es diese nicht gibt, dann auch Enkel oder Eltern (nicht aber Geschwister und Großeltern). Dies sind praktisch die natürlich vorgesehenen Erben nach dem deutschen Erbrecht. Diese Regelung hat zur Folge, dass das Recht auf einen Pflichtteil die vorrangigen Erben davor schützt, von dem Eigner des Familienbesitzes in ihrem Handeln willkürlich gesteuert zu werden.

Wie hoch ist der Pflichtteilsanspruch?

Je nach Verwandtschaftsgrad steht den nächsten Angehörigen demnach ein gesetzlicher Erbteil zu, der errechnet wird, wenn der Erblasser keine Präzisierung in Form eines Testamentes hinterlassen hat. Der Pflichtteilsanspruch verändert sich zudem auch je nach Familienkonstellation. Ehepartnern steht ein vergleichsweise großer gesetzlicher Erbteil zu. Je nach Güterstand kann er einen großen Pflichtteil oder einen kleinen Pflichtteilsanspruch verlangen. Der Erbschein weist letztendlich aus, welcher Anteil am Vermögen den einzelnen Erben zusteht. Es sind relativ komplizierte Berechnungen, die von der Anzahl der nächsten Angehörigen und der Höhe des Vermögens abhängen. Das ist so  weil auch gerade Unternehmen, Grundstücke und Immobilien in die Rechnung einbezogen werden müssen. Der Pflichtteilsanspruch kann zudem gemindert werden, wenn der Erblasser vor seinem Tod dem Erben Werte hat zukommen lassen, deren Anrechnung er auf den Pflichtteil angewiesen hat.

Eine gütliche Einigung erspart viel Ärger

Wenn ein rechtmäßiger Erbe seinen Pflichtteilsanspruch geltend macht, sind die Fronten nicht selten bereits verhärtet. Trotzdem empfiehlt es sich für beide Seiten, es noch einmal mit einer gütlichen Regelung in Einvernehmen zu versuchen, da die sonst notwendig werdende Einsetzung von Schätzern und Sachverständigen den Erbwert erheblich mindern können. Eine unabhängige Mediation könnte in diesem Falle die Streithähne wieder zusammenführen.

In der Wut und Verletztlichkeit versuchen manche Erblasser etwa durch Schenkungen das Inkrafttreten eines Pflichtteilsanspruches zu umgehen, dem Gesetzgeber ist dieser Anspruch allerdings so wichtig, dass ein übergangener Erbe, der sich nicht davon abbringen lässt, über kurz oder lang zu seinem Recht kommt. Problematisch ist aber, dass sich der Pflichtteilsanspruch nicht gegen den Erblasser selbst richtet, sondern gegen die Erben, was zwangsläufig neue Konflikte aufwirft. Ein Pflichtteilsanspruch verjährt nach drei Jahren (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB) und muss somit kurzfristig angemeldet werden.

Zum Schluss gibt es auch Konstellationen, in denen ein Pflichtteilsanspruch mit Recht nicht zum Tragen kommt, bei körperlicher Misshandlung des Erblasser beispielsweise oder nicht eingehaltenen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber dem Erblasser. Der Gesetzgeber spricht hierbei auch von einer Erbunwürdigkeit.

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