Pflichtteil im Erbrecht
Als Pflichtteil wird im deutschen Erbrecht der Erbteil bezeichnet, den ein berechtigter Erbe auf jeden Fall erhält, unabhängig davon, was der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung angeordnet hat. Grundsätzlich herrscht zwar eine Testierfreiheit, doch durch den Pflichtteil wird diese zugunsten der Hinterbliebenen begrenzt.
Erben, die im Testament ausdrücklich enterbt wurden, können im Rahmen des Nachlassverfahrens ihren gesetzlichen Erbanspruch geltend machen und so die Auszahlung des ihnen zustehenden Pflichtteils erwirken. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn der betreffende Erbe zum pflichtteilsberechtigten Personenkreis gehört und nicht durch einen Erben, über den er mit dem Erblasser verwandt war, von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen wurde.
Bei der Errichtung eines Testaments sollten Erblasser das aktuelle Pflichtteilsrecht daher immer vor Augen haben und bedenken, dass sie pflichtteilsberechtigte Erben selbst durch eine testamentarische Enterbung nicht enterben können. In einigen wenigen Ausnahmefällen ist dies zwar möglich, aber zum Pflichtteilsentzug müssen Belege für die Erbunwürdigkeit des eigentlich pflichtteilsberechtigten Erben vorliegen.
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Juristische Grundlage
Der Pflichtteil ist im deutschen Erbrecht fest verankert und ein wesentlicher Bestandteil dessen. In § 2303 des Bürgerlichen Gesetzbuchs werden die pflichtteilsberechtigten Personen exakt definiert. Der entsprechende Gesetzestext enthält genaue Angaben darüber, wer im Falle eines Erbfalls Ansprüche auf den Pflichtteil geltend machen kann, falls er durch das Testament oder den Erbvertrag des Erblassers enterbt wurde.
Im Zuge einer kleineren Reform des Erbrechts wurde am 01. August 2001 bewirkt, dass auch Lebenspartner, sofern eine eingetragene Lebenspartnerschaft bestanden hat, ein Anrecht auf den Pflichtteil haben. Im Gegensatz zu allen Pflichtteilsberechtigten werden diese jedoch nicht in § 2303 BGB genannt. Hier dient § 10 Absatz 6 LPartG als juristische Grundlage für die Pflichtteilsberechtigung.
Pflichtteilsberechtigte Personen
Ob ein Hinterbliebener eine Pflichtteilsberechtigung für den Nachlass eines Erblassers hat, hängt stets vom jeweiligen Verwandtschaftsgrad ab. Schließlich soll mit dem Pflichtteilsrecht sichergestellt werden, dass die nahen Verwandten des Erblassers nicht ohne weiteres von der Erbfolge komplett ausgeschlossen werden. Auf diese Weise werden die nächsten Verwandten stets am Nachlass beteiligt, unabhängig davon, was der verstorbene Erblasser in seinem Testament oder im Erbvertrag festgelegt hat.
Gemäß § 2.303 Absatz 1 Satz 1, sowie Absatz 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten im deutschen Erbrecht die Abkömmlinge und die Eltern des Erblassers als pflichtteilsberechtigte Personen. Bei den Abkömmlingen gilt zu beachten, dass ein pflichtteilsberechtigter Erbe alle nachfolgenden Abkömmlinge des gleichen Stammes ausschließt. Falls beispielsweise der Erblasser eine Tochter hinterlassen hat, die wiederum zwei Kinder hat, kann nur die Tochter einen Anspruch auf ihren Pflichtteil geltend machen. Ihre Kinder bzw. in diesem Fall die Enkel des Erblassers gehen in einem solchen Fall leer aus, weil ihre Mutter bereits geerbt hat.
Der noch lebende Ehegatte hat selbstverständlich auch das Anrecht auf den Pflichtteil, falls er enterbt wurde. In § 10 Absatz 6 LPartG werden darüber hinaus auch Lebenspartner zum pflichtteilsberechtigten Personenkreis gezählt. Im Falle einer Enterbung im Testament können also nicht nur die Abkömmlinge und die Eltern des Erblassers ein Pflichtteilsrecht geltend machen, sondern ebenfalls Lebenspartner, sofern eine eingetragene Lebenspartnerschaft mit dem Erblasser zum Zeitpunkt dessen Todes bestanden hat.
Höhe des Pflichtteils
Bezüglich der Höhe des Pflichtteils lassen sich keine pauschalen Aussagen machen, schließlich hängt diese von der Höhe des gesamten Nachlasses ab. Grundsätzlich beträgt der Pflichtteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Bei dem gesetzlichen Erbteil handelt es sich um den Anteil am Nachlass, den ein erbberechtigter, gesetzlicher Erbe erhält, sofern der Erblasser nichts anderes bestimmt hat. In § 2.303 Absatz 1 BGB ist dies definiert, sodass die Berechnung des Pflichtteils keineswegs willkürlich, sondern stets auf Basis des Gesetzes erfolgt.
Enterbung trotz Pflichtteilsberechtigung
Die Enterbung einer pflichtteilsberechtigten Person lässt sich durch eine entsprechende Anordnung oder Auflage im Testament oder im Erbvertrag also nicht bewerkstelligen, da Abkömmlinge, Eltern, sowie der Ehegatte bzw. Lebenspartner aufgrund des nahen Verwandtschaftsverhältnis dem deutschen Erbrecht entsprechend die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils als Pflichtteil erhalten, sofern sie durch die gesetzliche Erbfolge erbberechtigt sind. Berechtigte werden ihn zunächst einfordern und zur Not auch den Pflichtteil einklagen. Wenn man Pflichteilsberechtigte enterben möchte, wäre der Pflichtteilsverzicht der wesentlich elegantere Weg zum Ausschluss von der Erbfolge.
Wie in den meisten Fällen, bestätigen auch hier Ausnahmen die Regel, sodass eine vollständige Enterbung trotz Pflichtteilsanspruch in einigen Situationen durchaus möglich ist. Im Paragraph § 2333 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden sich die Regeln für eine rechtskräftige Entziehung des Pflichtteils. Falls ein Pflichtteilsberechtigter dem Erblasser selbst oder einem nahen Verwandten des Erblassers nach dem Leben trachtet, ist der Entzug des Pflichtteils problemlos möglich.
Dies ist ebenfalls der Fall, wenn der Pflichtteilsberechtigte eine Straftat begangen hat und im Zuge dessen dem Erblasser oder einem nahen Verwandten hierdurch Schaden zugefügt hat. Wurde die pflichtteilsberechtigte Person zu einer mindestens einjährigen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt, ist dies auch ein Grund für einen Pflichtteilsentzug, selbst wenn der Erblasser und seine nahen Verwandten hierdurch nicht geschädigt wurden.
Ist der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser zu Unterhalt verpflichtet gewesen und dieser Pflicht böswillig nicht nachgekommen, kann dies ebenfalls einen Pflichtteilsentzug zur Folge haben. Das deutsche Erbrecht bewahrt nahe Verwandte mit dem Pflichtteil zwar vor einer vollständigen Enterbung durch den Erblasser, doch falls einer der oben genannten Gründe vorliegt, kann der Pflichtteil entzogen werden, sodass auch eine pflichtteilsberechtigte Person durchaus leer ausgehen kann.
Zusatzpflichtteil
Als Zusatzpflichtteil bezeichnet man einen Erbteil, der die Differenz zwischen dem vom Erblasser zugedachten Erbteil und dem gesetzlichen Pflichtteil ausgleicht. Hat der Erblasser einen Pflichtteilsberechtigten in seiner letztwilligen Verfügung nur mit einem Erbe von geringem Wert bedacht, kann der Betroffene einen juristischen Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil geltend machen. Auf diese Art und Weise verhindert der deutsche Gesetzgeber, dass der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten mit einem zu geringen Erbteil abspeist. Es kommt immer wieder vor, dass eine pflichtteilsberechtigte Person nicht enterbt, sondern dem Testament entsprechend nur einen geringen Erbteil bekommt. So versuchen Erblasser zu umgehen, dass der Pflichtteilsberechtigte seinen Pflichtteil erhält. In § 2305 BGB ist jedoch geregelt, dass eine pflichtteilsberechtigte Person in einem solchen Fall den Zusatzpflichtteil von den Miterben einfordern kann, wodurch eine Pflichtteilsberechtigung im deutschen Erbrecht nicht umgangen werden kann.
Auswirkungen von Zuwendungen und Schenkungen auf den Pflichtteil
Hat der Erblasser einem seiner Erben noch zu Lebzeiten Zuwendungen oder Schenkungen zukommen lassen, müssen diese im Zuge des Nachlassverfahrens angegeben werden, schließlich erhöhen diese die Gesamthöhe des Nachlasses. Demnach erhöhen sich hierdurch auch die Pflichtteilsansprüche enterbter Erben. Wer zum pflichtteilsberechtigten Personenkreis gehört, in der letztwilligen Verfügung des Erblassers enterbt wurde und von diesem eine Schenkung oder eine anderweitige Zuwendung erhalten hat, muss dies selbstverständlich angeben. In einem solchen Fall werden die Zuwendungen auf den jeweiligen Pflichtteil angerechnet und können demnach das effektive Erbe verringern.