Internationales Erbrecht: Armenien
In dem kaukasischen Binnenstaat Armenien bildet das Zivilgesetzbuch die juristische Basis für das nationale Erbrecht. Der elfte Teil dieser armenischen Gesetzesgrundlage widmet sich ausschließlich dem Erbrecht und beinhaltet alle relevanten Regelungen. So finden sich hierin Angaben zur gesetzlichen Erbfolge, ebenso wie die Formvorschriften für ein rechtskräftiges Testament. Auch die rechtlichen Grundsätze des Erbens in Armenien, sowie der Ablauf eines Nachlassverfahrens sind im Zuge dessen geregelt, sodass keine Fragen offen bleiben.
Gemäß Artikel 1185 kann in Armenien eine Erbschaft auf Basis eines Testaments oder der gesetzlichen Erbfolge stattfinden. Hierbei gilt zu beachten, dass die gesetzliche Erbfolge nur für den Fall, dass kein Testament oder ein ungültiges Testament existiert, von Belang ist. Künftige Erblasser, die ein Testament errichten, um eine gewillkürte Erbfolge zu definieren, müssen daher die armenischen Formvorschriften, die für Testamente gelten, unbedingt genau einhalten, denn ansonsten greift die gesetzliche Erbfolge.
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Ablauf des armenischen Nachlassverfahrens
Artikel 1187 ff. geben die Richtlinien für das armenische Nachlassverfahren vor und definieren unter anderem, wann das Nachlassverfahren eröffnet wird. Demnach findet die Eröffnung des Nachlassverfahrens mit dem Tod des Erblassers statt. In der Regel wird das Erbschaftsverfahren somit noch am gleichen Tag eingeleitet. Ansonsten beginnt das erbrechtliche Verfahren mit dem Zeitpunkt, zu dem das zuständige Gericht die betreffende Person für tot erklärt.
Die Zuständigkeit für die Eröffnung des erbrechtlichen Verfahrens liegt in Armenien bei der Behörde, die für den letzten Wohnsitz des Erblassers zuständig ist. Falls der letzte Wohnsitz unbekannt ist oder sich außerhalb von Armenien befunden hat, ist die Behörde des Ortes zuständig, in dem sich das zum Nachlass gehörende unbewegliche Vermögen befindet. Für den Fall, dass kein unbewegliches Vermögen vorhanden ist, ist der Standort des beweglichen Nachlassvermögens ausschlaggebend.
Damit das Erbe auf den Erben über geht, muss dieser die Erbschaft annehmen. Dies hat grundsätzlich im Rahmen einer Erklärung einem Notar gegenüber zu erfolgen. Die Frist für die Erbschaftsannahme beläuft sich in Armenien auf sechs Monate und beginnt mit der Eröffnung des Erbschaftsverfahrens. Selbstverständlich besteht keine Pflicht zur Erbschaftsannahme. Durch Artikel 1230 wird es Erben freigestellt, ob sie das Erbe ausschlagen oder nicht. Entscheidet sich ein Erbe hierzu, muss er die Ausschlagung schriftlich und in der Regel einem Notar gegenüber erklären.
Testament in Armenien
Kapitel 71 des armenischen Zivilgesetzbuches widmet sich ausschließlich dem Testament und klärt diesbezügliche Fragen somit bis ins kleinste Detail. Mit Artikel 1193 räumt der Gesetzgeber Armeniens künftigen Erblassern das Recht ein, eine gewillkürte Erbfolge im Rahmen einer letztwilligen Verfügung zu definieren. Gleichzeitig wird durch diese Gesetzesgrundlage die Testierfreiheit juristisch verankert. In Artikel 1192 werden die grundsätzlichen Modalitäten für die Errichtung eines Testaments in Armenien festgelegt. Demnach muss der Testierende voll geschäftsfähig sein und seinen letzten Willen persönlich verfassen. Die Errichtung eines Testaments im Auftrag eines Dritten ist daher nicht zulässig. Zudem sind gemeinschaftliche Verfügungen von Todes wegen in Armenien nicht erlaubt.
Wie allgemein üblich muss auch ein armenisches Testament einer gewissen Form entsprechen, weil es ansonsten nicht vom Gesetzgeber anerkannt wird. In Armenien ist der Artikel 1203 die juristische Grundlage für die Form eines rechtskräftigen Testaments. Demzufolge muss eine solche Verfügung von Todes wegen vom Testator höchstpersönlich verfasst sein, dessen handschriftliche Unterschrift tragen und außerdem mit Datum und Ort versehen sein. Darüber hinaus setzt der armenische Gesetzgeber eine notarielle Beglaubigung voraus.
Wird bei der Errichtung eines Testaments einer dieser Aspekte missachtet, gilt die Verfügung von Todes wegen als ungültig. In Anbetracht der Tatsache, dass der Testator nicht mehr korrigierend eingreifen kann, wenn sich im Laufe des Nachlassverfahrens herausstellen sollte, dass das vorliegende Testament ungültig ist, macht die ganze Angelegenheit recht schwierig. Da der Testator zum Zeitpunkt der Testamentseröffnung nicht mehr unter den Lebenden weilt, muss dieser im Vorfeld vorsorgen und sollte unbedingt ein rechtskräftiges Testament errichten, das Artikel 1203 des armenischen Erbrechts entspricht. Gemäß Artikel 1205 muss das notarielle Testament aber nicht zwingend vom Erblasser geschrieben sein. Alternativ kann dieser dem Notar gegenüber seinen letzten Willen erklären, sodass der Notar ein entsprechendes Testament niederschreibt. Auf Wunsch des Testators können auch Zeugen bei der Testamentserrichtung zugegen sein.
Im armenischen Erbrecht besteht auch die Möglichkeit, dem Notar ein geschlossenes Testament zu übergeben. Der Testator muss im Zuge dessen lediglich erklären und versichern, dass es sich bei dem im verschlossenen Umschlag enthaltenen Testament um seinen letzten Willen handelt. Aufgrund der Tatsache, dass der Inhalt der letztwilligen Verfügung vor dem Notar verborgen bleibt, kann dieser seinen Mandanten natürlich nicht über die Folgen der Verfügung aufklären.
Gesetzliche Erbfolge in Armenien
Das Testament ist in Armenien natürlich nicht die einzige Form der Erbeinsetzung. Die gesetzliche Erbfolge, also die Erbeinsetzung von Gesetzes wegen, ist deutlich häufiger anzutreffen und findet bei der großen Mehrheit aller Erbfälle Anwendung. Dies ist im Wesentlichen der Tatsache geschuldet, dass die meisten Menschen keinen Gedanken an die Errichtung eines Testaments verschwenden und dies für überflüssig halten, da sie ohnehin kein großes Vermögen zu vererben haben.
Ähnlich wie in der Bundesrepublik Deutschland und vielen weiteren Staaten, legt die gesetzliche Erbfolge auch in Armenien ein Ordnungssystem zugrunde. Demzufolge werden die nächsten Verwandten vorrangig am Nachlass beteiligt. Nur wenn keine Erben einer Ordnung vorhanden sind, werden die Mitglieder der nachfolgenden Erbordnung von Gesetzes wegen zur Erbfolge berufen.
Das armenische Zivilgesetzbuch widmet sich in Artikel 1216 bis 1219 den einzelnen Ordnungen innerhalb der gesetzlichen Erbfolge und legt auf diese Art und Weise fest, welche Erben wann zur Erbfolge berufen werden. Innerhalb der Ordnungen sind die Erben gleichberechtigt und erben demnach zu gleichen Teilen. Gemäß Artikel 1216 bilden die Kinder, Eltern und der überlebende Ehegatte die gesetzlichen Erben erster Ordnung. Im Falle eines vorverstorbenen Kindes treten dessen Kinder an seine Stelle und erhalten somit den Erbteil ihres vorverstorbenen Vorfahren.
Die zweite Ordnung ist in Armenien den Geschwistern des verstorbenen Erblassers vorbehalten. Sollte eine Schwester bzw. ein Bruder vorverstorben sein, gilt selbstverständlich das Repräsentationsprinzip, wodurch dessen Kinder am Nachlass des Erblassers beteiligt werden. Die Großeltern des Erblassers gelten in Armenien als Erben dritter Ordnung, während die vierte Ordnung die Tanten und Onkel des verstorbenen Erblassers berücksichtigt.
Erbschaftssteuer in Armenien
In den meisten Staaten der Welt existiert ein umfassendes Steuersystem, das unter anderem auch Erbschaften berücksichtigt. In Armenien ist dies nicht der Fall, denn der armenische Gesetzgeber kennt keine Erbschaftssteuer. Für Erben bedeutet dies, dass sie keinen Teil ihres Erbes an den armenischen Fiskus abführen müssen und somit in dieser Hinsicht mit keinerlei Einbußen zu rechnen haben.
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