Gerechtigkeit unter den Erben
Der Wunsch nach Gerechtigkeit ist in den meisten Menschen tief verwurzelt und umfasst nahezu sämtliche Lebensbereiche. So steht auch das Erbrecht heute immer wieder im Mittelpunkt des Gerechtigkeitssinnes und wird dementsprechend kritisch betrachtet. In vielen Fällen fühlen sich Hinterbliebene ungerecht behandelt und durch die erbrechtlichen Regelungen im Erbschaftsgesetz benachteiligt, was natürlich zu Unmut führt. Häufig ist die Verfügung von Todes wegen des verstorbenen Erblassers für die Hinterbliebenen nicht nachvollziehbar und sie können schlichtweg nicht verstehen, warum der Verstorbene seinen Nachlass so geregelt hat, wie es das Testament besagt. Im Erbfall bietet sich naturgemäß auch keine Möglichkeit mehr, ein klärendes Gespräch mit dem Erblasser zu führen, weil dieser tot ist. Die Angehörigen bleiben ohne Erklärung zurück und geraten nicht selten in Streit miteinander. Dem kann man natürlich in gewissem Umfang vorbeugen, indem man zu Lebzeiten das Gespräch zur Nachlassplanung sucht und die persönliche Nachlassvorsorge seinen Lieben erläutert.
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Gerechtigkeit innerhalb der gesetzlichen Erbfolge
Aber auch wenn kein Testament vorliegt und die gesetzliche Erbfolge Anwendung findet, wird die Gerechtigkeit des Erbrechts immer wieder in Frage gestellt. Das Ordnungssystem, das der deutsche Gesetzgeber als Basis für die Verwandtenerbfolge nutzt, wird dem Verwandtschaftsverhältnis bei der Abstammung zwischen Erblasser und Erbe gerecht. Das gesetzliche System legt dementsprechend den gesetzlichen Erbteil der Familienmitglieder fest. Hierbei gilt es allerdings festzuhalten, dass natürlich nicht alle gesetzlichen Erben gleichermaßen erben. Zudem können auch nicht alle Verwandten zur Erbfolge berufen werden. Damit es diesbezüglich gerecht zugeht, greift die Rechtsprechung auf das Ordnungssystem zum Bestimmen der Erben zurück.
Objektiv betrachtet sorgt die gesetzliche Erbfolge für Gerechtigkeit unter den Erben, obgleich dies der Einzelne womöglich anders sieht. Neben dem überlebenden Ehegatten beziehungsweise eingetragenen Lebenspartner in der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft erben von Gesetzes wegen ausschließlich die nächsten Verwandten des Erblassers. Innerhalb der einzelnen Ordnungen herrscht eine Gleichberechtigung, was sich anhand eines Beispiels veranschaulichen lässt. Verstirbt eine ledige Person, werden der ersten Erbfolge entsprechend ihre Abkömmlinge zur gesetzlichen Erbfolge berufen. Der Nachlass wird dann unter den Kindern zu gleichen Teilen aufgeteilt. Ist ein Kind des Erblassers bereits vorverstorben, erben dessen Abkömmlinge den betreffenden Erbteil.
Gerechtigkeit unter Erben und das Pflichtteilsrecht
Liegt ein Testament oder eine andere Verfügung von Todes wegen des Erblassers vor, stellt sich zunächst nicht die Frage nach Gerechtigkeit, schließlich ist der letzte Wille des Verstorbene entscheidend. Sofern dieser ordnungsgemäß in einer letztwilligen Verfügung vorliegt, wird diesem entsprochen, denn die Testierfreiheit im BGB gibt künftigen Erblassern das Recht, frei über ihren Nachlass zu verfügen und eine den persönlichen Wünschen entsprechende Erbeinsetzung vorzunehmen. Die große Flexibilität der Testierfreiheit gibt Testatoren die Gelegenheit, Personen, die von Gesetzes wegen erben würden, zu enterben. Grundsätzlich ist man auch in dieser Hinsicht frei, aber es existiert eine Einschränkung, das Pflichtteilsrecht. Dem pflichtteilsberechtigten Personenkreis ordnet der deutsche Gesetzgeber die Abkömmlinge, die Eltern und den Ehegatten beziehungsweise eingetragenen Lebenspartner des Verstorbenen zu. Sofern man diesem Personenkreis angehört und nicht ohnehin durch das gesetzliche Erbrecht von der Erbfolge ausgeschlossen wird, ist man Pflichterbe und hat somit trotz etwaiger testamentarischer Enterbung ein Anrecht auf eine Mindestbeteiligung am Erbe. Den nächsten Angehörigen ist demnach der Pflichtteil sicher, der sich auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beläuft und dafür sorgt, dass diese nicht vollkommen leer ausgehen. Durch das Pflichtteilsrecht schafft die Rechtsprechung folglich ein gewisses Maß an Gerechtigkeit.
In einigen Fällen ist eine Enterbung naher Angehöriger aber durchaus gerechtfertigt und hat somit nichts mit Ungerechtigkeit zutun. Auch für diesen Fall hat der deutsche Gesetzgeber vorgesorgt, denn in § 2333 BGB finden sich die legitimen Gründe für eine Pflichtteilsentziehung, die eine vollständige Enterbung rechtfertigen und zulassen. Der Erblasser muss die Gründe allerdings in seiner letztwilligen Verfügung anführen und eine Pflichtteilsentziehung anordnen.
Gerechtigkeit unter Erben und Schenkungen
Wenn es um Gerechtigkeit unter den Erben geht, werden Schenkungen nicht selten als ungerecht betrachtet. Hat der verstorbene Erblasser einem der Erben zu Lebzeiten ein größeres Geschenk gemacht, fühlen sich die Miterben mitunter um einen Teil ihrer Erbschaft betrogen. Grundsätzlich muss man zunächst einmal feststellen, dass es das gute Recht eines jeden Menschen ist, sein Eigentum zu verschenken, schließlich kann er durch sein Herrschaftsrecht über den Nachlass frei verfügen. Erfolgte die Schenkung kurz vor dem Tod des Erblassers, liegt der Verdacht nahe, dass diese Vermögensübertragung den Zweck hatte, den Beschenkten zu begünstigen. Gegen derartige Ungerechtigkeiten geht der Gesetzgeber vor, denn in § 2325 BGB entsteht durch Schenkungen ein Pflichtteilsergänzungsanspruch. Dies betrifft jedoch nur Schenkungen, die in den letzten zehn Jahren vor dem Erbfall stattgefunden haben.
Auch wenn es nie vollkommene Gerechtigkeit unter den Erben geben kann, schafft der deutsche Gesetzgeber beste Bedingungen hierfür. Das deutsche Erbrecht sorgt für eine gerechte Behandlung aller Erben, die ohnehin erst einmal den schmerzlichen Verlust verkraften müssen.
Den Nachlass gerecht aufteilen – geht das überhaupt?
Wer den Tatsachen ins Auge sieht und eine Konfrontation mit dem eigenen Tod nicht scheut, kann bestehende Ängste effektiv abbauen und so der Zukunft gelassener entgegensehen. Darüber hinaus ergibt sich so die Chance, für den eigenen Erbfall vorzusorgen, indem man ein Testament verfasst. So muss man es nicht dem Gesetzgeber überlassen, den Nachlass nach der gesetzlichen Erbfolge zu verteilen, sondern kann dies selbst in die Hand nehmen. Vielen Menschen ist dies sehr wichtig, da sie ihre persönlichen Wünsche und Vorstellungen verwirklichen wollen und zugleich dafür Sorge tragen möchten, dass ihr Erbe gerecht verteilt wird.
Der Wunsch, allen gerecht zu werden und bei der Erbschaft niemanden zu benachteiligen, hat für viele Menschen oberste Priorität und macht die Nachlassplanung zu einem komplizierten Unterfangen. Immer wieder kommt es vor, dass künftige Erblasser eine Auseinandersetzung mit dem Erbrecht und die Definition einer gewillkürten Erbfolge scheuen, weil sie Angst haben, jemandem vor den Kopf zu stoßen. Ein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn ist überaus löblich, sollte aber nicht vor die eigenen Bedürfnisse gestellt werden. Künftige Erblasser dürfen demnach ihre eigenen Wünsche nicht aus den Augen verlieren und sollten sich zunächst fragen, wie sie sich die Nachlassverteilung mit eigenen Vorstellungen zum Verteilungsplan wünschen. In erster Linie sollte man seinen eigenen Bedürfnissen und Wünschen gerecht werden, denn in den wenigsten Fällen kann man es allen recht machen. Folglich sollte man in erster Linie auf sein Herz hören und seine individuellen Wünsche verwirklichen. Es stellt sich ohnehin die Frage, wie man seinen Nachlass gerecht aufteilen und gleichzeitig Fallstricke beim Vererben umgehen kann. So muss man auf jeden Fall die gesetzlich Erbberechtigten im Auge behalten.
Erbrecht und Gerechtigkeit
Inwiefern Gerechtigkeit im deutschen Erbrecht besteht, hängt im Allgemeinen vom jeweiligen Standpunkt ab. Betrachtet man die gesetzliche Erbfolge, zeigt sich, dass der deutsche Gesetzgeber hier ein klares System definiert hat, das basierend auf der Verwandtschaft eine gerechte Aufteilung des Erbes vorsieht. So verfügt der überlebende Ehegatte beziehungsweise eingetragene Lebenspartner des Verstorbenen über ein gesetzliches Erbrecht. Für die Verwandten des Erblassers gilt ein mehrschichtiges Ordnungssystem. Als nächste Angehörige werden die Abkömmlinge der ersten Ordnung zugeordnet, die 2. Ordnung ist den Eltern und deren Abkömmlingen vorbehalten und in der dritten Ordnung finden die Großeltern und deren Abkömmlinge Berücksichtigung. Entferntere Verwandte werden entsprechend höheren Ordnungen zugeordnet. Existiert mindestens ein Erbe einer Ordnung, werden alle nachfolgenden Ordnungen von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Einen Überblick über das Ordnungssystem können sich Interessierte in §§ 1924 ff. BGB verschaffen. Im Zuge dessen muss man noch beachten, dass innerhalb der einzelnen Ordnungen zwar eine Gleichberechtigung gilt, zugleich aber auch das Repräsentationsprinzip Anwendung findet. Anhand der Erben erster Ordnung lässt sich dies verdeutlichen. Die Kinder des verstorbenen Erblassers sind vollkommen gleichberechtigt und erben somit zu gleichen Teilen. Ist ein Kind bereits vorverstorben, erben dessen Abkömmlinge und somit beispielsweise die betreffenden Enkel des verstorbenen Erblassers. Ansonsten sind die Enkel aber nicht von Gesetzes wegen erbberechtigt, obwohl sie als Abkömmlinge Erben erster Ordnung sind. Hierbei spricht man vom Repräsentationsprinzip.
Betrachtet man die Regelungen des gesetzlichen Erbrechts, wird somit rasch deutlich, dass eine gerechte Aufteilung des Nachlasses für den deutschen Gesetzgeber oberste Priorität hat. Im Einzelfall kann diese Gestaltung des Erbrechts aber dennoch ungerecht oder unangemessen erscheinen, so dass viele künftige Erblasser einen hohen Handlungsbedarf sehen. Eine letztwillige Verfügung, wie zum Beispiel ein Testament, gibt ihnen die Möglichkeit, sich bei der Nachlassregelung zu verwirklichen und auch Personen erbrechtlich zu berücksichtigen, die im Verwandtenerbrecht unbeachtet bleiben. Wenn es beispielsweise darum geht, entferntere Verwandte oder enge Freunde am eigenen Erbe zu beteiligen, führt kein Weg an der Errichtung einer Verfügung von Todes wegen vorbei.
Nachlassvorsorge richtig planen und angehen
Dass künftige Erblasser, die sich mit dem Erbrecht einmal auseinandergesetzt haben, den Wunsch verspüren, selbst vorzusorgen, ist in Anbetracht der starren Strukturen der Familienerbfolge nicht verwunderlich. Den persönlichen Lebensumständen soll auch erbrechtlich Rechnung getragen werden, weshalb die Errichtung eines Testaments oder eines Erbvertrags ansteht. Juristische Laien sollten hierbei einige Punkte beachten. Zunächst empfiehlt es sich, sich in die Thematik einzulesen und das Fünfte Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches zu studieren. Zudem ist es ratsam, einen erfahrenen Juristen hinzuzuziehen, denn so ist eine umfassende und kompetente Beratung sichergestellt. Gemeinsam mit dem Rechtsanwalt oder Notar kann man seine persönlichen Wünsche erörtern, erfährt mehr über die Gesetzeslage in der Bundesrepublik Deutschland und kann ein individuell abgestimmtes Testament erarbeiten.
Zu einer richtigen Planung der persönlichen Nachlassvorsorge gehört somit in erster Linie die Errichtung eines Testaments. Auf diese Art und Weise haben die Hinterbliebenen im Erbfall absolute Gewissheit und müssen nicht rätseln, was wohl der letzte Wunsch des Verstorbenen war. Stattdessen dient die Verfügung von Todes wegen als zentraler Leitfaden im Rahmen der Erbauseinandersetzung und kann maßgeblich zu einem friedlichen und harmonischen Ablauf beitragen. Die Errichtung eines Testaments sorgt allerdings nicht automatisch dafür, dass sich die Hinterbliebenen gerecht behandelt fühlen. Eine Verfügung kann die Situation mitunter etwas beruhigen, ist aber kein Garant für eine reibungslose Erbauseinandersetzung. Aus diesem Grund sollten künftige Erblasser die Nachlassvorsorge vernünftig angehen und frühzeitig das Gespräch mit allen Beteiligten suchen. Das Umfeld hat so die Chance, sich mit dem Testator auszusprechen und dessen Beweggründe nachzuvollziehen. Folglich ist es ratsam, Familie und Freunde zu Lebzeiten auf seinen letzten Willen vorzubereiten und hiermit vertraut zu machen, obgleich dies natürlich eine befremdliche Situation sein kann.
Ob es möglich ist, den Nachlass gerecht aufzuteilen, liegt demnach stets im Auge des Betrachters. Vorrangig sollte die Nachlassvorsorge den Wünschen des künftigen Erblassers entsprechen. Errichtet dieser ein Testament, schafft er eine solide Basis für eine friedliche Erbauseinandersetzung. Um zu verhindern, dass sich Hinterbliebene benachteiligt fühlen, sollte man zu Lebzeiten das Thema Erbrecht ansprechen und seine persönlichen Entscheidungen hinsichtlich der Verfügung von Todes wegen erläutern.
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