Erbansprüche uneheliche Kinder der Generation 60plus
Die Reaktion auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sorgt künftig für eine Stärkung der Erbansprüche für Kinder der Generation 60 plus.
Das Gericht urteilte damals am 28. Mai 2009, dass die bisherige Ungleichbehandlung von ehelichen und nicht ehelichen Kindern in einem krassen Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Der Grund lag darin, dass alle vor dem Juli 1949 geborenen nicht ehelichen Kinder vom gesetzlichen Erbrecht ausgeschlossen wurden. Ihnen stand damit nicht einmal der Pflichtteil bzw. ein Pflichtteilergänzungsanspruch zu.
Gibt es eine Gleichstellung unehelicher Kinder beim Erben? Zwar sind zwischenzeitlich eheliche und nichteheliche Kinder gleichgestellt, allerdings nicht innerhalb der einzelnen Gesetze wie beispielsweise im Erbrecht. Die unterschiedlichen Rechtssituationen werden in den folgenden Ausführungen deutlich.
Alte und neue Rechtssituation unehelicher Kinder
Die bisherige Rechtssituation räumt für ein nichteheliches Kind beim Tod ihres Vaters auch nur dann das Recht auf einen Erbanspruch ein, wenn diese nach dem 1.7.1949 geboren wurden. Geburtsjahrgänge vor diesem Stichtag waren somit komplett von jeglicher Erbberechtigung ausgeschlossen. Allerdings war in früheren Zeiten ein vorzeitiger Erbausgleich möglich. Durch den Verstoß gegen die Menschenrechte war der Gesetzgeber nunmehr angehalten, eine Neuregelung zu schaffen. Das neue Gesetz durchlief am 21.04.2011 den Bundesrat und schloss damit eine langjährige Lücke im Erbracht. Die neue Ersatzregelung tritt somit bereits am 26.04.2011 in Kraft. Mit den neuen Gesetzen steht unehelichen kIndern ebenfalls auch ein Waisenrente zu.
Mit der Neuregelung gehören alle bisherigen Diskriminierungen nunmehr der Vergangenheit an, denn Kinder unverheirateter Eltern haben künftig auch dann einen Erbanspruch, wenn sie vor dem 1. Juli 1949 geboren wurden. Diese Ersatzregelung gilt allerdings nicht für Erbfälle, die vor dem 29.05.2009 lagen, diese Erbfälle brauchen nicht mehr neu aufgerollt werden, da es wegen des verfassungsrechtlich verankerten Rückwirkungsverbots grundsätzlich bei der früheren Rechtslage bleiben muss. Ist also der Vater eines vor dem 1.7.1949 geborenen, nichtehelichen Kindes nach dem 28.05.2009 verstorben, ist das nichteheliche Kind in gleichem Maße erbrechtlich zu behandeln wie alle anderen Kinder auch. Dies gilt auch für den Fall, dass testamentarisch eine andere Person oder Institution erbrechtlich eingesetzt wurde. Auch hier steht dem Kind zumindest ein Pflichtteilsanspruch zu.
Wurde hingegen der Staat Empfänger des Erbes, weil es zum damaligen Zeitpunkt weder Verwandte noch Ehegatten gab, ist dieser nunmehr verpflichtet, dieses früher ererbte Vermögen nunmehr wieder an die nicht ehelichen Kinder auszukehren. Dies gilt übrigens auch für Fälle, in denen eine Erbschaft ausgeschlagen wurde. Wurden in der Vergangenheit Erbscheine zu Ungunsten der unehelichen Kinder erlassen, müssen diese nunmehr umgehend eingezogen und einer Korrektur unterworfen werden. Auch in der Vergangenheit durchgeführte Rechtsstreitverfahren müssen wegen der Neuregelung wieder neu aufgerollt werden. Wurde durch den Erblasser ein Testament hinterlassen und Personen darin als Erbe eingesetzt, besteht für das nichteheliche Kind in jedem Fall ein Pflichtteilsanspruch.
Alle Berechtigte, die unter die neue Gesetzesreform fallen, sind nunmehr aufgerufen, zu prüfen, in welcher Phase sich bisherige Erbauseinandersetzungen befinden. Liegt bereits ein Erbschein vor, muss dieser eingezogen und korrigiert werden. Auf Grund der neuen Rechtslage hat das nichteheliche Kind nunmehr auch ein Auskunftsrecht gegenüber den (Nachlass-)Gerichten. Die Betroffenen müssen also selbst tätig werden, um in den Genuss des Erbes zu gelangen. Das nichteheliche Kind muss gegenüber dem Gericht nachweisen, dass eine Vaterschaft entweder durch Anerkennung oder aber durch eine Gerichtsentscheidung festgestellt wurde. Denn nichteheliche Kinder besitzen nur dann ein Erbrecht gegenüber ihren Vätern, wenn zwischen beiden Parteien auch ein Verwandtschaftsverhältnis bestand.